Wie das Handelsblatt berichtet, hat die DEGAG Deutsche Grundbesitz Holding AG die Auszahlung von Zinsen und Rückzahlungen an ihre Anleger „bis auf Weiteres“ eingestellt. Betroffen sind etwa 4.700 Privatanleger, die insgesamt rund 275 Millionen Euro investiert haben. Wir sprechen mit Thomas Bremer, Kapitalmarktexperte, über die Hintergründe, Risiken und mögliche Schritte für betroffene Anleger.

Frage: Herr Bremer, wie bewerten Sie den Zahlungsstopp der DEGAG?

Thomas Bremer: Das ist ein klarer Krisenfall, der viele Anleger kalt erwischen dürfte. Die DEGAG hat lange mit attraktiven Renditen und stabilen Ausschüttungen geworben, und jetzt stehen wir vor einem klassischen Liquiditätsproblem. Dass ein Unternehmen dieser Größe plötzlich die Zahlungen stoppt, zeigt, wie angespannt die Lage in der Immobilienbranche tatsächlich ist.

Frage: Das Unternehmen führt gescheiterte Refinanzierungen als Hauptgrund an. Wie schätzen Sie diese Erklärung ein?

Thomas Bremer: Die Begründung ist plausibel, vor allem angesichts der aktuellen Marktbedingungen. Banken haben ihre Kreditvergabekriterien verschärft, und die steigenden Zinsen machen Refinanzierungen erheblich teurer. Der Verweis auf ein abgesprungenes Kreditinstitut zeigt, wie eng der Spielraum der DEGAG geworden ist. Gleichzeitig muss man fragen: Warum hat die DEGAG keinen soliden Plan B vorbereitet?

Frage: Anleger haben vor allem in Genussrechte investiert. Was macht diese Finanzierungsform so riskant?

Thomas Bremer: Genussrechte sind nachrangige Anlagen. Das bedeutet, dass Anleger im Falle von Zahlungsschwierigkeiten oder einer Insolvenz ganz hinten in der Gläubigerkette stehen. Sie können ihre Ansprüche nur geltend machen, wenn das Unternehmen solvent bleibt – und genau das ist jetzt unsicher. Die hohen Zinsen, die Genussrechte versprechen, sind also immer mit erheblichen Risiken verbunden.

Frage: Was können Anleger nun tun?

Thomas Bremer: Stillhalten wäre jetzt der falsche Weg. Anleger sollten sofort aktiv werden. Meine Empfehlungen:

  1. Alle Unterlagen sichern: Verträge, Kontoauszüge und Korrespondenz müssen vollständig dokumentiert sein.
  2. Professionelle Beratung einholen: Ein Fachanwalt kann klären, ob und welche Ansprüche bestehen.
  3. Gemeinsam vorgehen: Anleger, die sich organisieren, können mehr Druck auf das Unternehmen ausüben und Kosten für rechtliche Schritte teilen.

Frage: Die DEGAG plant Teilverkäufe von Immobilien, um ihre Liquidität zu verbessern. Ist das ein realistischer Lösungsweg?

Thomas Bremer: Das ist schwierig. Der Immobilienmarkt ist momentan stark unter Druck, und schnelle Verkäufe werden vermutlich nur zu niedrigen Preisen möglich sein. Ob die erzielten Erlöse ausreichen, um die Anleger zu bedienen, bleibt fraglich. Es könnte sich um eine reine Notmaßnahme handeln, die bestenfalls kurzfristig hilft.

Frage: Die Stiftung Warentest hatte die DEGAG im August auf ihre Warnliste gesetzt. Was sollten Anleger daraus lernen?

Thomas Bremer: Die Warnung der Stiftung Warentest war ein deutliches Signal, das Anleger ernst nehmen sollten. Verstöße gegen Veröffentlichungspflichten und eine intransparente Eigentümerstruktur sind Warnzeichen, die auf tieferliegende Probleme hinweisen. Wer solche Warnungen ignoriert, setzt sich bewusst einem höheren Risiko aus.

Frage: Wie können sich Anleger in Zukunft besser schützen?

Thomas Bremer: Es gibt drei Grundregeln:

  1. Hohe Renditen hinterfragen: Wer 6 bis 9 Prozent Zinsen verspricht, muss erklären können, wie das seriös erwirtschaftet wird.
  2. Nachrangige Produkte meiden: Genussrechte und ähnliche Anlagen sind hochriskant, insbesondere in wirtschaftlich instabilen Zeiten.
  3. Informationsquellen nutzen: Warnlisten der BaFin, Stiftung Warentest oder unabhängiger Experten sollten regelmäßig geprüft werden.

Zudem ist eine unabhängige Beratung vor einer Investition unerlässlich.

Fazit: Der Fall DEGAG ist ein Lehrstück dafür, wie wichtig es ist, Risiken von Finanzprodukten sorgfältig abzuwägen. Für die betroffenen Anleger gilt: Jetzt nicht abwarten, sondern handeln.

Vielen Dank, Herr Bremer, für Ihre Einschätzungen.