Redaktion: Herr Bremer, Sie raten Kleinanlegern davon ab, in Investments mit Totalverlustrisiko wie Genussrechte und Nachrangdarlehen zu investieren. Warum sind diese Anlageformen Ihrer Meinung nach so riskant?

Thomas Bremer: Genussrechte und Nachrangdarlehen sind aus mehreren Gründen hochriskante Anlageformen, insbesondere für Kleinanleger. Beide Investmenttypen tragen das sogenannte Totalverlustrisiko, was bedeutet, dass Anleger im schlimmsten Fall ihr gesamtes investiertes Kapital verlieren können. Das Problem liegt vor allem in der rechtlichen und wirtschaftlichen Struktur dieser Anlageformen.

Nehmen wir Nachrangdarlehen als Beispiel: Hier handelt es sich um Kredite, bei denen der Anleger – im Gegensatz zu einem regulären Gläubiger – im Falle einer Insolvenz des Unternehmens ganz hinten in der Rangfolge steht. Das bedeutet, dass zuerst alle anderen Gläubiger, wie Banken oder Lieferanten, bedient werden. Für die Anleger bleibt am Ende oft nichts übrig.

Genussrechte sind ähnlich problematisch. Sie sind eine hybride Anlageform, irgendwo zwischen Eigenkapital und Fremdkapital. Das heißt, der Anleger beteiligt sich am Unternehmenserfolg, aber auch am Misserfolg. Bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten oder einer Insolvenz des Unternehmens verliert der Anleger ebenfalls sein gesamtes Kapital.

Redaktion: Warum werden diese Anlageformen dann überhaupt angeboten?

Thomas Bremer: Aus der Sicht von Unternehmen sind Genussrechte und Nachrangdarlehen sehr attraktiv, da sie flexibel und vergleichsweise einfach einzusetzen sind. Unternehmen können mit diesen Mitteln Kapital aufnehmen, ohne den strengen Auflagen für klassische Kredite oder Eigenkapitalfinanzierungen zu unterliegen.

Für die Anleger hingegen wird oft ein verlockendes Bild gezeichnet: hohe Zinsen, überdurchschnittliche Renditen und vermeintlich attraktive Beteiligungsmöglichkeiten. Doch was häufig verschwiegen wird, ist das massive Risiko, das hinter diesen Angeboten steckt. Besonders Kleinanleger, die möglicherweise nicht über ausreichendes Finanzwissen verfügen, können die tatsächlichen Gefahren oft nicht richtig einschätzen.

Redaktion: Was macht diese Produkte speziell für Kleinanleger so gefährlich?

Thomas Bremer: Der Hauptgrund ist, dass diese Anlageformen ein hohes Maß an Fachwissen erfordern, um die Risiken vollständig zu verstehen. Kleinanleger sind oft nicht in der Lage, die rechtlichen und wirtschaftlichen Feinheiten solcher Verträge zu durchschauen.

Zudem ist die Transparenz bei Genussrechten und Nachrangdarlehen oft sehr gering. Viele Unternehmen legen ihre Finanzdaten nicht vollständig offen oder beschönigen ihre Lage. Anleger wissen häufig nicht, in welches Risiko sie tatsächlich investieren. Wenn dann noch die Versprechen von hohen Zinsen oder Renditen ins Spiel kommen, werden viele Anleger dazu verleitet, ihre Bedenken zu ignorieren.

Für Kleinanleger gilt daher: Wer sein Kapital nicht verlieren kann oder will, sollte von solchen hochspekulativen Anlagen unbedingt die Finger lassen.

Redaktion: Gibt es konkrete Beispiele aus der Praxis, die Ihre Warnung untermauern?

Thomas Bremer: Leider gibt es zahlreiche Beispiele aus der Praxis, bei denen Kleinanleger mit Genussrechten oder Nachrangdarlehen viel Geld verloren haben. Denken wir an Insolvenzen in der Vergangenheit, bei denen tausende Anleger betroffen waren, wie etwa bei Unternehmen aus der Immobilienbranche oder Start-ups, die vielversprechende Geschäftsmodelle präsentiert haben, aber letztlich gescheitert sind.

Ein besonders bekannter Fall war Prokon, ein Unternehmen, das mit Genussrechten geworben hat. Tausende Kleinanleger haben dort investiert und große Teile ihres Geldes verloren, als das Unternehmen insolvent wurde. Viele Anleger dachten, sie würden in einen „grünen“ und sicheren Bereich investieren, waren sich aber der Risiken nicht bewusst.

Redaktion: Was empfehlen Sie Kleinanlegern, die auf der Suche nach sinnvollen Anlageformen sind?

Thomas Bremer: Der wichtigste Ratschlag ist: Bleiben Sie bei Investments, die Sie verstehen. Wenn eine Anlageform zu kompliziert erscheint oder Ihnen der Anbieter nicht vollständig transparent vorkommt, lassen Sie die Finger davon.

Für Kleinanleger, die langfristig Vermögen aufbauen möchten, sind breit gestreute Investments wie ETFs (Exchange Traded Funds) oder klassische Aktienfonds oft die bessere Wahl. Diese bieten zwar auch keine absolute Sicherheit, sind aber in der Regel deutlich risikoärmer und transparenter als Genussrechte oder Nachrangdarlehen.

Zudem ist es wichtig, sich gut zu informieren, Anlageentscheidungen nicht überstürzt zu treffen und keine Versprechen von unrealistisch hohen Renditen zu glauben. Im Zweifel sollten Kleinanleger immer einen unabhängigen Finanzberater zu Rate ziehen, bevor sie sich für eine bestimmte Anlageform entscheiden.

Redaktion: Herr Bremer, zum Abschluss: Was wäre Ihre wichtigste Botschaft an Kleinanleger?

Thomas Bremer: Lassen Sie sich nicht von hohen Renditeversprechen blenden und investieren Sie nur in Produkte, die Sie wirklich verstehen. Jede Anlage birgt Risiken, aber bei Genussrechten und Nachrangdarlehen kann das Risiko eines Totalverlusts extrem hoch sein. Für Kleinanleger, die ihre Ersparnisse schützen möchten, sind solche Investments schlichtweg nicht geeignet. Ein langfristiger, sicherer Vermögensaufbau braucht keine spekulativen Produkte – Geduld, Diversifikation und solide Anlagen sind hier der Schlüssel.

Redaktion: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Bremer.

Thomas Bremer: Sehr gerne, ich hoffe, viele Kleinanleger dadurch ein Stück weit schützen zu können.