Interviewer: Herr Reime, immer wieder stoßen Verbraucher auf Angebote wie den „Kostenlosen Online-Workshop mit Profi-Investor Philipp J. Müller“, in dem hohe Renditen an der Börse versprochen werden. Wie beurteilen Sie solche Angebote aus rechtlicher Sicht?

Rechtsanwalt Jens Reime: Solche Angebote klingen auf den ersten Blick verlockend, da sie den Teilnehmern versprechen, mit fundierten Strategien ein sicheres Einkommen an der Börse zu generieren. Gleichzeitig sollte man jedoch vorsichtig sein, wenn so hohe Versprechungen gemacht werden. Das Geschäftsmodell hinter solchen „kostenlosen“ Workshops zielt oft darauf ab, Teilnehmer in kostenpflichtige Kurse oder Programme zu führen, die sehr teuer sein können. Während es sich um legitime Bildungsmöglichkeiten handeln mag, ist es wichtig, genau zu prüfen, welche Erwartungen geweckt werden und ob sie wirklich realistisch sind.

Interviewer: Der Workshop wirbt damit, dass man mit „2-3 Stunden pro Woche überdurchschnittliche Renditen erzielen“ kann. Ist das eine realistische Einschätzung?

Rechtsanwalt Jens Reime: Hier sollte man sehr skeptisch sein. In der Finanzwelt gibt es keine Garantien, insbesondere nicht an der Börse, wo die Märkte volatil und unvorhersehbar sind. Die Idee, dass man mit nur wenigen Stunden pro Woche überdurchschnittliche Renditen erzielen kann, ist schlicht unrealistisch. Es erfordert nicht nur tiefgehendes Fachwissen, sondern auch viel Zeit, um die Märkte und Investitionsmöglichkeiten zu analysieren. Solche Versprechungen können den falschen Eindruck erwecken, dass Investieren einfach und risikofrei ist – was definitiv nicht der Fall ist.

Interviewer: Der Anbieter spricht von „tausendfach bewährten Investmentstrategien“, um Kapital vor Krisen zu schützen. Können Sie aus rechtlicher Sicht sagen, wie solche Aussagen zu bewerten sind?

Rechtsanwalt Jens Reime: Begriffe wie „bewährte Strategien“ oder „kapitalgeschützte Investitionen“ sind oft sehr vage formuliert. Es gibt keine Garantie, dass diese Strategien in jeder Marktlage funktionieren oder dass sie für jeden Anleger geeignet sind. Solche Aussagen müssen kritisch hinterfragt werden, insbesondere wenn sie suggerieren, dass es sichere Wege gibt, hohe Renditen zu erzielen. Rechtlich gesehen kann dies als irreführende Werbung betrachtet werden, wenn nicht klar dargelegt wird, welche Risiken damit verbunden sind. Verbraucher sollten sich bewusst sein, dass jede Investition Risiken birgt, einschließlich des Risikos eines Totalverlusts.

Interviewer: Es wird auch häufig damit geworben, dass „Verbraucherschutzorganisationen“ die Investition in Aktien empfehlen. Wie sollten Anleger solche Aussagen einordnen?

Rechtsanwalt Jens Reime: Es ist wichtig, genau zu hinterfragen, welche Verbraucherschutzorganisationen gemeint sind. Seriöse Organisationen werden niemals pauschal eine bestimmte Anlageklasse oder einen bestimmten Weg zur Altersvorsorge empfehlen, ohne auf die damit verbundenen Risiken hinzuweisen. Auch wenn es richtig ist, dass viele Experten Aktien als Bestandteil einer langfristigen Anlagestrategie befürworten, sollte das immer im Kontext einer diversifizierten Anlagestrategie und unter Berücksichtigung der individuellen Risikobereitschaft erfolgen. Pauschale Aussagen wie „Der Verbraucherschutz empfiehlt Aktien“ können schnell in die Irreführung abgleiten.

Interviewer: Der Anbieter spricht von „lebensverändernden Inhalten“ in nur 120 Minuten. Was sollten Teilnehmer bei solchen Aussagen beachten?

Rechtsanwalt Jens Reime: Solche Aussagen sollten als Marketingstrategie verstanden werden. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass man in einem 120-minütigen Online-Workshop das nötige Wissen erlangt, um sicher und erfolgreich an der Börse zu investieren. Seriöse Finanzbildung erfordert viel mehr Zeit, Mühe und vor allem praktische Erfahrung. Teilnehmer sollten realistische Erwartungen haben und sich bewusst sein, dass ein Workshop wie dieser in der Regel nur grundlegende Informationen vermittelt. Der eigentliche Zweck solcher Workshops besteht oft darin, kostenpflichtige Weiterbildungen zu bewerben.

Interviewer: In solchen Programmen gibt es oft viele positive Testimonials von Prominenten und Erfolgsgeschichten. Wie sollten Anleger solche Referenzen bewerten?

Rechtsanwalt Jens Reime: Positive Testimonials, insbesondere von Prominenten, können ein starkes Marketinginstrument sein, aber sie sollten nicht das alleinige Kriterium für die Entscheidung sein, an einem solchen Programm teilzunehmen. Viele dieser Testimonials sind Teil der Werbestrategie und spiegeln nicht immer die Realität wider. Anleger sollten sich nicht von der Prominenz der Referenzen blenden lassen, sondern die angebotenen Inhalte und vor allem die Risiken der Strategie kritisch hinterfragen. Erfolgsgeschichten einzelner Teilnehmer sagen wenig darüber aus, wie realistisch es für den Durchschnittsanleger ist, ähnliche Ergebnisse zu erzielen.

Interviewer: Was sollten Teilnehmer tun, wenn sie nach einem solchen Workshop aufgefordert werden, in kostenpflichtige Programme zu investieren?

Rechtsanwalt Jens Reime: Wenn nach einem solchen Workshop kostenpflichtige Programme angeboten werden, sollten Teilnehmer sich Zeit nehmen, die Angebote gründlich zu prüfen und nicht unter Druck entscheiden. Es ist wichtig, die Vertragsbedingungen genau zu lesen und auf versteckte Kosten oder Verpflichtungen zu achten. Zudem sollte man überprüfen, ob die Inhalte des Workshops tatsächlich den hohen Erwartungen gerecht wurden. Ich rate immer dazu, sich nicht von der Euphorie eines „lebensverändernden“ Workshops leiten zu lassen, sondern nüchtern abzuwägen, ob das kostenpflichtige Programm wirklich Mehrwert bietet.

Interviewer: Welchen abschließenden Rat haben Sie für Verbraucher, die über solche Investment-Workshops nachdenken?

Rechtsanwalt Jens Reime: Mein wichtigster Rat ist, realistisch zu bleiben und sich nicht von hohen Renditeversprechen und emotionalen Marketingstrategien blenden zu lassen. Jede Investition birgt Risiken, und niemand sollte erwarten, dass man ohne fundiertes Wissen und erhebliche Anstrengung leicht hohe Gewinne an der Börse erzielt. Bevor Sie sich für ein kostenpflichtiges Programm entscheiden, sollten Sie unabhängigen Rat einholen – etwa durch einen Finanzberater oder Anwalt – und genau abwägen, ob die versprochenen Inhalte zu Ihren Zielen und Ihrer finanziellen Situation passen. Bleiben Sie wachsam und hinterfragen Sie, ob die Versprechen des Anbieters wirklich eingehalten werden können.

Interviewer: Vielen Dank, Herr Reime, für diese hilfreichen Einblicke!

Rechtsanwalt Jens Reime: Sehr gerne! Es ist wichtig, dass Verbraucher aufgeklärt sind und fundierte Entscheidungen treffen, insbesondere wenn es um ihre finanziellen Zukunftsplanungen geht.