Frage: Herr Bremer, die DEGAG Deutsche Grundbesitz Holding AG hat in den letzten Wochen mit alarmierenden Entwicklungen auf sich aufmerksam gemacht. Was ist Ihr Eindruck von der aktuellen Situation?

Thomas Bremer: Die Lage der DEGAG ist zweifellos kritisch. Die Aussetzung von Zahlungen an Anleger ist immer ein Alarmsignal, das Unsicherheit schürt. Die Kombination aus einer hohen Abhängigkeit von Genussrechtskapital, steigenden Verbindlichkeiten und negativen Ergebnissen bei Tochtergesellschaften deutet auf ernsthafte strukturelle Probleme hin. Das Unternehmen steht vor einer enormen Herausforderung, das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen und gleichzeitig die eigene Liquidität zu stabilisieren.

Frage: Genussrechte spielen eine zentrale Rolle in der Bilanz der DEGAG. Welche Risiken sehen Sie dabei?

Thomas Bremer: Genussrechte sind hybride Finanzinstrumente, die Elemente von Eigen- und Fremdkapital vereinen. Das Problem ist, dass Genussrechte nachrangig sind – bei finanziellen Schwierigkeiten stehen Anleger ganz hinten in der Gläubigerkette. Bei der DEGAG ist besonders auffällig, dass fast das gesamte „Eigenkapital“ aus Genussrechten besteht. Von 193,97 Millionen Euro entfallen 195,84 Millionen Euro auf Genussrechte. Das ist alarmierend, da echtes Eigenkapital, das Verluste abfedern könnte, quasi nicht vorhanden ist.

Frage: Die DEGAG spricht von Transparenz und der Zusammenarbeit mit einer Interessengemeinschaft der Anleger. Wie bewerten Sie diesen Ansatz?

Thomas Bremer: Eine Interessengemeinschaft kann sinnvoll sein, wenn sie die Interessen der Anleger gebündelt vertritt. Allerdings muss sie unabhängig vom Einfluss der DEGAG agieren, um glaubwürdig zu bleiben. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass eine solche Gemeinschaft nur die Restrukturierungspläne des Unternehmens absegnet. Anleger sollten genau prüfen, ob ihre Interessen wirklich im Mittelpunkt stehen, bevor sie sich einer Interessengemeinschaft anschließen.

Frage: Welche rechtlichen Herausforderungen sehen Sie für die Anleger?

Thomas Bremer: Genussrechte sind rechtlich komplex und bergen erhebliche Risiken. Der Rangrücktritt, der in solchen Verträgen oft verankert ist, bedeutet, dass Rückzahlungen nur möglich sind, wenn das Unternehmen liquide ist. Zudem fehlen häufig Sicherheiten. Anleger sollten ihre Verträge unbedingt von spezialisierten Anwälten prüfen lassen, um ihre Rechte zu kennen und mögliche Ansprüche geltend zu machen.

Frage: Wie bewerten Sie die aktuelle Kommunikation der DEGAG?

Thomas Bremer: Die DEGAG bemüht sich um Transparenz, zumindest nach außen. Doch Transparenz allein reicht nicht aus, wenn die dahinterstehenden Zahlen nicht überzeugen. Anleger brauchen detaillierte Informationen zur Liquidität, zu Investitionen und zum Cashflow, um die Situation wirklich einschätzen zu können. Es ist wichtig, dass die DEGAG nicht nur Versprechen macht, sondern auch belastbare Fakten liefert.

Frage: Welche Handlungsmöglichkeiten haben Anleger in dieser Situation?

Thomas Bremer: Anleger sollten jetzt vor allem folgendes tun:

Verträge prüfen: Alle Unterlagen zu den Genussrechten sollten von einem Fachanwalt geprüft werden.
Transparenz einfordern: Regelmäßige Updates zu den Fortschritten der DEGAG sind essenziell.
Rechtliche Schritte vorbereiten: Falls die Situation sich verschärft, können Klagen auf Rückzahlung eine Option sein.
Anwaltliche Vertretung suchen: Angesichts der Komplexität von Genussrechten ist professionelle Unterstützung unverzichtbar.

Frage: Was erwarten Sie von der DEGAG in den kommenden Wochen?

Thomas Bremer: Die DEGAG muss beweisen, dass sie nicht nur reden, sondern auch handeln kann. Dazu gehört, den Restrukturierungsprozess transparent zu gestalten und glaubwürdige Maßnahmen zur Sicherung der Liquidität zu ergreifen. Gleichzeitig sollte sie das Vertrauen der Anleger aktiv zurückgewinnen, indem sie deren Interessen in den Mittelpunkt stellt.

Frage: Was raten Sie Anlegern abschließend?

Thomas Bremer: Anleger sollten wachsam bleiben und sich nicht allein auf die Kommunikation der DEGAG verlassen. Es ist wichtig, aktiv zu werden, eigene Interessen zu wahren und bei Unsicherheiten professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die aktuelle Situation erfordert überlegtes Handeln und eine klare Strategie, um finanzielle Schäden zu begrenzen.

Vielen Dank, Herr Bremer, für Ihre Einschätzungen.