Herr Bremer, die Daktyloskopie hat sich über die Jahre als unverzichtbares Werkzeug in der deutschen Kriminalistik etabliert. Was macht diese Methode Ihrer Meinung nach so besonders und zuverlässig?

Thomas Bremer: Die Einzigartigkeit jedes Fingerabdrucks ist beeindruckend. Selbst bei eineiigen Zwillingen sind die Linienmuster auf den Fingerkuppen unterschiedlich, und diese Muster bleiben ein Leben lang unverändert – egal, ob durch Alter, Verletzungen oder andere Umstände. Dadurch sind Fingerabdrücke nahezu fehlerfrei zur Identifikation geeignet. Die Daktyloskopie ermöglicht es, Menschen zweifelsfrei zu identifizieren, sei es zur Überführung eines Täters oder bei der Identifikation von Opfern, etwa nach Unfällen oder Naturkatastrophen. In Deutschland ist diese Methode in der Kriminalistik unverzichtbar geworden und hat die Aufklärung vieler Verbrechen entscheidend unterstützt.

Wie verläuft die Spurensicherung am Tatort, und welche Techniken kommen hier zum Einsatz?

Thomas Bremer: Fingerabdrücke sind oft unsichtbar und bestehen aus Schweiß- und Talgablagerungen. Am Tatort müssen sie durch verschiedene Methoden sichtbar gemacht werden – etwa durch spezielle Pulver, chemische Reagenzien oder die Anwendung von UV-Licht. Einmal sichtbar gemacht, werden die Fingerabdrücke fotografiert oder digitalisiert und für den Abgleich in nationale und internationale Datenbanken eingespeist. In Deutschland arbeitet die Polizei beispielsweise mit dem AFIS-System, das Fingerabdrücke mit hoher Präzision abgleicht und oft in Minuten Ergebnisse liefert. In größeren Fällen werden Fingerabdrücke sogar länderübergreifend verglichen, was besonders bei grenzüberschreitenden Delikten von enormer Bedeutung ist.

Wie groß ist der Einfluss der Künstlichen Intelligenz (KI) in der Daktyloskopie?

Thomas Bremer: KI hat in den letzten Jahren einen großen Fortschritt gebracht. Moderne AFIS-Systeme sind mit KI ausgestattet, die eine enorme Anzahl an Fingerabdrücken in Sekunden vergleichen kann. KI erkennt charakteristische Merkmale, sogenannte Minutien, wie Verzweigungen, Enden oder Inseln in den Linienmuster und sucht in der Datenbank nach Übereinstimmungen. Trotzdem überprüft ein Team aus erfahrenen Daktyloskopen jeden Treffer manuell, stets im Vier-Augen-Prinzip, um absolute Genauigkeit zu gewährleisten. Die Kombination aus KI und menschlicher Überprüfung macht das System besonders zuverlässig und sicher.

Welche Bedeutung hat die Vernetzung innerhalb Europas für die Daktyloskopie?

Thomas Bremer: Die internationale Vernetzung ist enorm wichtig, vor allem für die Kriminalistik in Deutschland, wo viele Verbrechen einen internationalen Bezug haben. Deutschland ist im AFIS-Verbundsystem der EU eingebunden. Wird ein Abdruck in Deutschland gefunden, aber kein Treffer in der nationalen Datenbank erzielt, erfolgt ein automatischer Abgleich mit anderen Mitgliedsländern. So kann innerhalb von Minuten geklärt werden, ob die gesuchte Person in einem anderen Land bereits erfasst ist. Diese Vernetzung ist entscheidend, da kriminelle Netzwerke und Täter oft international agieren.

Welche Rolle spielt die Daktyloskopie bei der Aufklärung von Altfällen? Gibt es hier interessante Entwicklungen?

Thomas Bremer: Ja, die Aufklärung sogenannter Cold Cases ist ein faszinierender Bereich der Daktyloskopie. Fingerabdrücke bleiben oft jahrelang auf Oberflächen erhalten, selbst unter widrigen Bedingungen. Durch neue Techniken und eine erneute Analyse dieser Spuren können Fälle, die jahrzehntelang ungelöst blieben, neu aufgerollt und manchmal sogar gelöst werden. In Deutschland hat es in den letzten Jahren einige solcher Fälle gegeben, bei denen Täter nach Jahrzehnten überführt werden konnten, weil ein Fingerabdruck analysiert und identifiziert wurde. Das zeigt das enorme Potenzial der Daktyloskopie.

Wie schätzen Sie die Zukunft der Daktyloskopie in Deutschland ein?

Thomas Bremer: Die Daktyloskopie wird weiterhin ein zentraler Pfeiler in der forensischen Kriminalistik bleiben. Die Präzision und Einzigartigkeit der Fingerabdruck-Analyse bietet den Ermittlungsbehörden ein nahezu unfehlbares Werkzeug. In Zukunft könnte die Rolle der Daktyloskopie durch weitere technologische Entwicklungen, wie fortschrittlichere KI und verbesserte Spurensicherungsmethoden, noch gestärkt werden. Diese Technik wird nicht nur dazu beitragen, Verbrechen aufzuklären, sondern auch bei präventiven Sicherheitsmaßnahmen eine immer größere Bedeutung gewinnen. Der Einsatz der Daktyloskopie bedeutet letztlich ein hohes Maß an Gerechtigkeit und Sicherheit für unsere Gesellschaft.