Die Frage, ob Vermittler bei gescheiterten Investments rechtlich belangt werden können, gehört zu den häufigsten Anliegen von Anlegern, die finanzielle Verluste erlitten haben. Auch im Fall der DEGAG steht diese Problematik im Raum. Ich habe dazu den erfahrenen Rechtsanwalt Jens Reime befragt, der sich auf Anlegerrecht spezialisiert hat. Seine Antworten zeigen, dass diese Frage vielschichtig und differenziert betrachtet werden muss.

Kein Automatismus – eine individuelle Prüfung ist erforderlich

Laut Rechtsanwalt Reime kann die Frage, ob eine Klage gegen Vermittler sinnvoll ist, nicht pauschal beantwortet werden. „Diese Frage taucht reflexartig auf, sobald ein Investment scheitert“, erklärt er. Allerdings hängt die Antwort immer von den individuellen Umständen ab, insbesondere davon, wie der Beratungsprozess abgelaufen ist.

Vermittler haben gesetzliche Pflichten, die den Schutz der Anleger gewährleisten sollen. Dazu gehört vor allem die transparente Risikoaufklärung. Aber: „Die Beweislast liegt beim Anleger“, betont Reime. Das heißt, der Anleger muss nachweisen, dass der Vermittler gegen seine Pflichten verstoßen hat.

Typische Fehler in der Anlageberatung

Reime nennt mehrere typische Fehler, die Vermittler immer wieder machen:

Unzureichende Risikoaufklärung: Wenn der Anleger nicht oder ungenügend über Risiken, insbesondere das Totalverlustrisiko, informiert wurde.
Überzogene Versprechungen: Aussagen wie „sicheres Investment“ oder „garantierte Rendite“ bei hochspekulativen Produkten.
Fehlende Dokumentation: Ohne schriftliche Dokumentation der Beratung wird es für Vermittler schwer, ihre Pflichten nachzuweisen.
Ungeeignete Produktempfehlungen: Produkte, die nicht zur finanziellen Situation oder Risikobereitschaft des Anlegers passen, können Beratungsfehler darstellen.

Was Vermittler tun müssen

Vermittler, die korrekt arbeiten möchten, haben laut Reime klare Aufgaben:

Bedarfsanalyse: Sie müssen die Ziele, die Risikobereitschaft und die finanzielle Situation des Anlegers ermitteln.
Transparente Aufklärung: Vermittler müssen Chancen und Risiken eines Produkts ehrlich und verständlich darlegen.
Geeignete Produktempfehlungen: Das Investment muss zu den individuellen Bedürfnissen des Anlegers passen.
Dokumentation: Der Beratungsprozess und die Risikoaufklärung müssen schriftlich festgehalten werden.
Aktuelle Informationen: Vermittler müssen sicherstellen, dass sie über das Produkt gut informiert sind und dem Anleger aktuelle Daten bereitstellen.

Klage gegen Vermittler – sinnvoll oder problematisch?

Eine Klage kann sinnvoll sein, wenn eindeutige Beweise für Beratungsfehler vorliegen. Doch es gibt auch Herausforderungen. Reime weist darauf hin, dass viele Vermittler finanziell nicht so gut aufgestellt sind wie die Emittenten. Selbst ein erfolgreiches Urteil bedeutet nicht automatisch, dass Schadensersatz geleistet werden kann.

„Ein Verfahren ist immer kostenintensiv und erfordert Beweise“, sagt Reime. In vielen Fällen könnte es sinnvoll sein, zunächst eine außergerichtliche Einigung zu suchen.

Fazit

Die Frage, ob Vermittler verklagt werden sollten, erfordert stets eine individuelle Prüfung. Anleger sollten den Beratungsprozess genau rekonstruieren und sich rechtlich beraten lassen. Eine pauschale Antwort gibt es nicht – entscheidend ist, ob der Vermittler seine Pflichten eingehalten hat und dies auch beweisbar ist.

Für Anleger bleibt klar: Ein Verfahren gegen Vermittler kann sinnvoll sein, muss aber mit realistischen Erwartungen und einer gründlichen Abwägung der Erfolgsaussichten angegangen werden.