Die BaFin hat in dieser Woche mehrere Warnmeldungen zu Gesellschaften der DEGAG-Gruppe veröffentlicht. Konkret geht es um die DEGAG WI8 GmbH, die DEGAG Kapital GmbH sowie die DEGAG Bestand und Neubau 1 GmbH. Alle drei Unternehmen befinden sich seit dem 16. Dezember 2024 im Zahlungsverzug gegenüber ihren Anlegerinnen und Anlegern. Ursache hierfür seien laut der BaFin offene Forderungen gegenüber verbundenen Immobilienunternehmen, die nicht beglichen werden können. Ein Ausfall dieser Forderungen hätte schwerwiegende Folgen für die Zahlungsfähigkeit der Unternehmen.
Die BaFin betont, dass sie die inhaltliche Richtigkeit der veröffentlichten Angaben nicht überprüft, sondern lediglich die gesetzliche Veröffentlichungspflicht gemäß § 11a Absatz 1 Vermögensanlagengesetz erfüllt. Dennoch sind die Anleger jetzt mit der Frage konfrontiert, was diese Entwicklungen für ihr investiertes Kapital bedeuten und wie sie handeln sollten.
Wir haben dazu mit der erfahrenen Rechtsanwältin Kerstin Bontschev, die sich auf die Vertretung geschädigter Anleger spezialisiert hat, gesprochen. Sie gibt Einblicke in die rechtliche Situation und zeigt Handlungsmöglichkeiten auf.
Interview mit Rechtsanwältin Kerstin Bontschev
Frage: Frau Bontschev, die BaFin hat mehrere Unternehmen der DEGAG-Gruppe wegen Zahlungsverzugs öffentlich genannt. Was bedeutet dies konkret für die Anleger?
Kerstin Bontschev: Der Zahlungsverzug bedeutet, dass die betroffenen Unternehmen ihre Verpflichtungen – also Zinszahlungen oder Rückzahlungen des investierten Kapitals – nicht leisten können. Für die Anleger ist das ein deutliches Warnsignal, dass ihre Investitionen akut gefährdet sein könnten. Besonders problematisch ist, dass die DEGAG-Gruppe in stark miteinander verflochtene Gesellschaften investiert hat, deren Zahlungsfähigkeit jetzt offenbar ins Wanken geraten ist. Das Risiko, dass Anleger ihr eingesetztes Kapital ganz oder teilweise verlieren, ist in solchen Situationen leider real.
Frage: Woran könnte es liegen, dass die DEGAG-Gruppe in diese Schwierigkeiten geraten ist?
Kerstin Bontschev: Nach den veröffentlichten Informationen hat die DEGAG-Gruppe erhebliche offene Forderungen gegenüber verbundenen Immobilienunternehmen. Das deutet darauf hin, dass Gelder aus den Anlegerkapitalien in Projekte oder Gesellschaften investiert wurden, die selbst nicht in der Lage sind, ihre Zahlungen zu leisten. Solche unternehmensinternen Verflechtungen sind in der Immobilienbranche nicht unüblich, bergen aber ein hohes Risiko, wenn die Projekte nicht wie geplant verlaufen. Sobald die Einnahmen aus Immobilienvermietung oder -verkauf ausbleiben, gerät das gesamte System ins Stocken – so wie wir es jetzt bei der DEGAG-Gruppe sehen.
Frage: Was sollten Anlegerinnen und Anleger in dieser Situation tun?
Kerstin Bontschev: Der wichtigste Schritt ist, zunächst die eigenen Unterlagen genau zu prüfen, insbesondere die Zeichnungsunterlagen der Kapitalanlage. Anleger sollten prüfen, ob sie beim Erwerb der Kapitalanlage ausreichend über die Risiken – insbesondere das Totalverlustrisiko – informiert wurden. Danach sollten sie eine qualifizierte rechtliche Beratung in Anspruch nehmen. Es ist wichtig, alle Optionen zu prüfen, etwa ob eine Haftung des Vermittlers oder des Vertriebs besteht. Wenn Anleger falsch oder unzureichend beraten wurden, können möglicherweise Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden.
Außerdem empfehle ich, sich einer Interessengemeinschaft anzuschließen, um gemeinsam stärker auftreten zu können. Solche Zusammenschlüsse erleichtern es, Informationen zu sammeln, die wirtschaftliche Lage der Unternehmen zu analysieren und mit anderen Betroffenen in Kontakt zu bleiben.
Frage: Wie hoch ist das Risiko eines Totalverlusts in diesem Fall?
Kerstin Bontschev: Das Risiko eines Totalverlusts ist leider nicht von der Hand zu weisen. Bei den betroffenen Kapitalanlagen handelt es sich häufig um Genussrechte oder Nachrangdarlehen. Das bedeutet, dass Anleger im Falle einer Insolvenz der DEGAG-Gesellschaften erst bedient werden, nachdem alle anderen Gläubiger – wie Banken oder Lieferanten – ihre Forderungen erhalten haben. Sollten die Vermögenswerte der Unternehmen nicht ausreichen, um die Forderungen der vorrangigen Gläubiger zu decken, bleibt für die Anleger nichts übrig.
Frage: Gibt es rechtliche Möglichkeiten, um die Verluste der Anleger zu begrenzen?
Kerstin Bontschev: Ja, es gibt einige rechtliche Ansätze, um potenzielle Verluste zu begrenzen. Ein zentraler Punkt ist die Prüfung von Haftungsansprüchen gegen den Vertrieb oder die Vermittler. Wenn Anleger nicht ordnungsgemäß über die Risiken der Anlage aufgeklärt wurden, könnten Schadensersatzforderungen bestehen. Auch Prospekthaftungsansprüche können eine Rolle spielen, falls die Angaben in den Verkaufsunterlagen unvollständig oder fehlerhaft waren. Es ist allerdings wichtig, dass Anleger schnell handeln, da viele Ansprüche einer Verjährung unterliegen.
Ein weiterer Ansatz könnte sein, die wirtschaftliche Lage der verbundenen Immobilienunternehmen zu durchleuchten. Wenn diese tatsächlich Forderungen gegenüber der DEGAG-Gruppe nicht begleichen können, muss geprüft werden, ob hier rechtliche Schritte möglich sind.
Frage: Welche weiteren Schritte planen Sie als Rechtsanwältin in einem solchen Fall?
Kerstin Bontschev: Wir setzen uns dafür ein, die wirtschaftliche Lage der DEGAG-Gesellschaften und ihrer Tochterunternehmen genau zu analysieren. Außerdem werden wir prüfen, ob es Versäumnisse bei der Beratung durch den Vertrieb oder Fehler in den Prospekten gab. Gemeinsam mit den betroffenen Anlegern, die sich unserer Interessengemeinschaft anschließen, werden wir eine klare Strategie entwickeln, um deren Interessen zu vertreten. Unser Ziel ist es, die Verluste der Anleger möglichst zu minimieren, auch wenn ein Totalverlust unter den aktuellen Umständen nicht ausgeschlossen werden kann.
Fazit
Die Lage bei der DEGAG-Gruppe ist für Anleger äußerst besorgniserregend. Die Schwierigkeiten bei der Zins- und Rückzahlung machen deutlich, wie riskant Investitionen in Genussrechte und Nachrangdarlehen sein können. Anlegerinnen und Anleger sind gut beraten, ihre Ansprüche zeitnah prüfen zu lassen und sich professionell unterstützen zu lassen. Eine Interessengemeinschaft, wie sie Rechtsanwältin Kerstin Bontschev empfiehlt, kann dabei helfen, die eigenen Rechte zu bündeln und die finanziellen Schäden so gering wie möglich zu halten.